Lippische Landes-Zeitung, Nr.
92, Seite Lokales, 20./21. April 2002
Seine Familie lässt ihn nie
allein
Bad Salzuflen. Sein trauriges
Schicksal ereilte ihn vor zehn Jahren: Jan-Pascal aus Bad Salzuflen fiel
als Sechsjähriger beim Spielen in die eiskalte Bega. Der Junge wurde
wieder belebt, sein Gehirn trug jedoch schwere Schäden davon. Für ihn
und seine Familie begann eine schwere Zeit. Heute, zehn Jahre nach dem
Unfall, ist aus dem kleinen Jungen ein Teenager geweorden, der
allerdings ohne die Hilfe seiner Familie völlig aufgeschmissen ist.
Hinzu kommen schwere orthopädische Probleme, die sogar zwischenzeitlich
Jan-Pascals Leben bedrohten.
Lippische Landeszeitung, Nr. 92,
Seite Bad Salzuflen, 20./21. April 2002
Jan-Pascal wurde vor zehn Jahren
zum Pflegefall – Heute ist er ein Teenager
Bad Salzuflen (Rei). Eine
ganze Stadt nahm Anteil an seinem Schicksal: Heute ist es zehn Jahre
her, als der kleine Jan-Pascal beim Spielen in die eiskalte Bega fiel.
Die Feuerwehr zog ihn leblos aus den Fluten, sein kleines Herz hatte
aufgehört zu schlagen. Und dann das Wunder: Nach über 40 Minuten konnte
Jan-Pascal wieder belebt werden. Sein Körper hatte den Unfall
unbeschadet überlebt, sein Gehirn nicht: Jan-Pascal, der heute ein
16-jähriger Teenager ist, kann auch heute noch nichts ohne fremde Hilfe
tun.
Jan-Pascals Zimmer im Haus der
Familie Hiltscher: Der hübsche Junge mit halb langem blonden Haar liegt
auffällig verkrümmt auf seiner Spezialmatratze – und schmunzelt wortlos.
„Sehen sie, wenn wir oft an Querelen und Kämpfen mit Institutionen und
Ämtern zu verzweifeln drohen oder wir wegen Jannis Schicksal tieftraurig
sind, hat er oft ein Lächeln für uns. Und dann werden die Probleme ganz
klein“, erzählt Barbara Hiltscher.
Was die Familie besonders
bedrückt, ist, dass die mühsam antrainierte Kommunikation mit Jan-Pascal
so gut wie unterbrochen ist. Die Spastik in Armen und Handgelenken ist
so stark, dass das in Jahren angelernte „unterstützte Schreiben“ am
Computer nicht mehr funktioniert. „Das, was Jan-Pascal uns schon
mitgeteilt hat, über seine Empfindungen, über seine Erfahrung der
Todesnähe oder seine Wünsche, das alles ist uns unendlich wichtig“,
berichtet Vater Reinhard Hiltscher.
Vor einem Jahr musste die
Familie erfahren, an welch seidenem Faden das Leben von Jan-Pascal
hängt. Seine extrem gekrümmte Wirbelsäule schränkte die Lungenfunktion
ein. „Janni wurde schwächer und schwächer, wir liefen von Orthopäde zu
Orthopäde. Keiner wusste einen Ausweg“, erinnert sich seine Mutter. Es
wurde eine Spezialmatratze |
gekauft, die zusammen mit der
alternativen Therapie eines Heilpraktikers die akute Lebensgefahr
gebannt hat. Doch: der 16-Jährige wiegt zurzeit lediglich 30 Kilogramm.
Hier soll eine Zusatznahrung helfen, auch deren Kosten muss die Familie
privat schultern. „Wenn Janni nicht zunimmt, sind eventuell notwendige
Operationen, zum Beispiel an seiner heraus gedrehten rechten Hüfte
unmöglich“, erzählt der Vater.
„Er ist so wichtig für uns alle“
Barbara Hiltscher

Die körperliche Substanz des
Schwerstbehinderten könnte auch eine 12 000 Euro teure
Sauerstoff-Therapie in England stärken. Nur: Auch hierfür springt keine
Krankenkasse ein. Nie haben Barbara und Reinhard Hiltscher, die seit
zehn Jahren das ganze Leben der Familie nach ihrem großen Sohn gerichtet
haben, daran gedacht, ihn ins Heim zu geben: „Er ist so wichtig für uns
alle, und wir sind wichtig für ihn. Dennoch bleibt der Frust. Wir
fühlten uns von Anfang an allein gelassen vom sogenannten Sozialstaat.“
Beileibe kein Einzelfall in
Deutschland: „Immer mehr Menschen werden zwar mit den neuesten
medizinischen Errungenschaften unter allen Umständen vor dem Tod
gerettet, haben dann aber keine Perspektive mehr. Und die Angehörigen
müssen um die selbstverständlichsten Dinge kämpfen, und das oft
vergeblich“, so Sabine Burmeister-Hobein von der „Doman-Hilfe für
schwersthirngeschädigte Kinder“. Der 20 Mitglieder zählende Verein hatte
sich aus der Betroffenheit über das Schicksal des Jungen 1994 gegründet.
Und Jan-Pascals Zukunft ohne
eigenes Einkommen, ohne Anspruch auf Rente oder Ähnliches? „Wir wünschen
uns, dass wir ihn so selbständig machen können, dass er einmal für kurze
Zeiteinheiten ohne unsere Hilfe in einem Therapie- und Wohnzentrum
gefördert werden kann. Auch dies müssten wir bezahlen“, so Barbara
Hiltscher, die all denjenigen dankt, die der Familie in der
Vergangenheit geholfen haben.
Ein großer Wunsch würde kein
Geld kosten: „Janni würde sich riesig über gelegentliche Besuche von
Gleichaltrigen freuen.“ Seine Hobbys: Harry Potter, Musik (aktuell Sarah
Connor und Westlife) sowie Fernsehen. „Am liebsten diese Soaps am späten
Nachmittag. Ich weiß nicht, wie die alle heißen“, schmunzelt der Vater.
Wer mehr über die Arbeit des
Vereins „Doman-Hilfe für schwersthirngeschädigte Kinder“ wissen möchte,
kann sich an Sabine Burmeister-Hobein, Tel. (05222)21244, wenden.
Spenden für Jan-Pascal nimmt die Initiative unter dem Konto 6 099 600,
Sparkasse Bad Salzuflen (BLZ 494 512 10), entgegen. |